Literatur
Was war das neunzehnte Jahrhundert für eine Epoche – voller Hoffnung, Fantasie, Veränderungswille, Geschwindigkeit, Potenzial! Im überaus lebendigen Paris studiert und malt ab 1840 Gustave Courbet, verkehrt in einer Runde von Künstlern und Intellektuellen und entwickelt um 1850 den Realismus mit. Courbet scheint gerade das Alltägliche eines Gemäldes würdig, ein ländliches Begräbnis, Steinklopfer, betrunkene Geistliche – gerade das provoziert Skandale in bürgerlichen Kreisen ebenso wie in klerikalen.
Parallel zu Courbets künstlerischer Entwicklung kommt Frankreich nach der Revolution von 1848 nicht zur Ruhe – gipfelnd im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der kurzen Diktatur des Proletariats in Form der Pariser Kommune im Frühling 1871. Gustave Courbet ist als Mitglied der Kommune mitten im politischen Strudel und endet zwangsläufig im Schweizer Exil, hoch verschuldet und schwer krank.
Bernd Schuchter
Gustav Courbet und der Blick der Verzweifelten
128 Seiten. Braumüller Verlag 2021
Halbleinen mit Lesebändchen
ISBN 978-3-99200-299-3
Wien, 1920: Die Monarchie ist Geschichte, die Erste Republik steht auf unsicheren Beinen, da beschließt der Bankier und dilettierende Schriftsteller Richard Kola, ein Verlagshaus zu gründen – nicht irgendeins, sondern das größte Österreichs. In wenigen Jahren erscheinen hunderte Bücher; renommierteste Autoren wie Thomas Mann und Gustav Meyrink lassen sich locken von Kolas Geld, gleichzeitig verachten sie ihn für seine Inflationsgeschäfte und für seine Großspurigkeit. Nach wenigen Jahren ist das Wahnsinnsprojekt auch schon wieder vorbei – Millionenverluste und Gerüchte bleiben, die Literatur eher weniger.
Die turbulente Entwicklung des Rikola Verlags nimmt Bernd Schuchter zum Anlass, die Geschichte weiterzuspinnen: Richard Kola wollte Aufmerksamkeit und Erfolg – und was hätte sich da eher angeboten als die Veröffentlichung von Adolf Hitlers zweitem Buch? Thomas Manns Felix Krull steht Pate bei dieser Erzählung von Aufstieg und Fall eines Hasardeurs, es ist Rikolas letzter Auftritt. Es ist ein geschickt erzählter Roman um die enthusiastische Liebe zur Literatur, um Skrupellosigkeit und den – immer aktuellen – Gewinn auf Kosten anderer.
Bernd Schuchter
Rikolas letzter Auftritt. Roman
160 Seiten. Braumüller Verlag 2019
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN 978-3-99200-248-1
Julien Offray de La Mettrie (1709-1751), Gottseibeiuns der französischen Frühaufklärung, lebte als Arzt, Sozialreformer und klandestiner Autor und Philosoph gleich mehrere Leben, ehe er – von Diderot, Voltaire und dem halben intellektuellen Europa gehasst – in Potsdam seinen berühmten Pastetentod starb. Was kann uns Herr Maschine, wie La Mettrie nach seinem berühmtesten Buch LHomme Machine genannt wurde, heute noch erzählen? Geboren in Saint-Malo, der Heimatstadt berüchtigter Piraten, ist auch La Mettrie ein Freibeuter auf literarischem wie philosophischem Gebiet, ungezähmt, kompromisslos und mutig – als Mediziner ein Freund der Schwachen und Kritiker der Ärzteschaft, als Philosoph ein origineller Denker des Materialismus, der früh das Gewaltpotenzial aller Religionen anprangert und stattdessen ein epikureisches Ideal der Körperlichkeit propagiert.
Verfolgt und verfemt muss er ins Exil, zuerst ins niederländische Leiden, später nach Preußen, wo er am Hof des Philosophenkönigs Friedrich II. Asyl findet, ehe ihn mit nur 42 Jahren ein Abendessen aus dem Leben reißt. Bernd Schuchter beschränkt sich aber nicht auf La Mettries erzählenswertes Leben, sondern entwirft ein breites Panorama des achtzehnten Jahrhunderts von der mechanischen Ente über den bücherverbrennenden Henker bis zur staatlichen Lotterie Frankreichs – und über allem schwebt der aufklärerische Ruf: Übernimm Verantwortung für dein eigenes Leben!
Bernd Schuchter
Herr Maschine oder vom wunderlichen Leben und Sterben des Julien Offray de La Mettrie
184 Seiten. Braumüller Verlag 2018
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN 978-3-99200-201-6
Der junge Jacques Callot will um jeden Preis und allen Widerständen zum Trotz ein Meister seines Fachs, ein vollendeter Kupferstecher werden, reist als halbes Kind auf eigene Faust nach Italien, und tatsächlich gelingt ihm in Radierungen und Stichen so etwas wie ein individueller künstlerischer Ausdruck in einer Zeit, die den Begriff des Individuums gar nicht kennt. Rembrandt ist ein Sammler Callot’scher Werke, Francisco de Goya wird durch Callots Radierzyklus Die großen Schrecken des Krieges zu seinem eigenen Zyklus Desastres de la Guerra inspiriert, E. T. A. Hoffmann nennt sein literarisches Debüt Fantasiestücke in Callots Manier.
Was zeigt Callot dem Schauenden – und Lesenden – bis heute, vierhundert Jahre später? Die unermesslichen Schrecken des Krieges, den unbändigen Willen einer Künstlerpersönlichkeit, den hohen Preis für diese Meisterschaft, den zu bezahlen Callot bereit ist, und ein zeitloses Werk voller Einzelschicksale, voller kleiner Leben.
Bernd Schuchter
Jacques Callot und die Erfindung des Individuums
160 Seiten. Braumüller Verlag 2018
Halbleinen mit Lesebändchen
ISBN 978-3-99200-168-2
Vom wahren Leben im falschen.
(Frei nach T. W. Adorno)
Jeder ist Kind von jemandem und hat ein je eigenes Herkommen. Was tun, wenn man sich durch seine Herkunft eingeschränkt fühlt? Und was tun, wenn man sich durch die Entwicklung zum eigenen Wollen und Denken immer weiter von seiner Vergangenheit entfernt? Was, wenn die geschenkten Möglichkeiten zur Bürde werden? Man macht die Zumutung zur Annahme.
Jene Dinge erzählt vom Problem der Milieuflucht, denn wie Adorno meint: »Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.«
Bernd Schuchter
Jene Dinge. Erzählung
112 Seiten. Limbus Verlag 2014
Gebunden mit Lesebändchen
ISBN 978-3-902534-97-2
Lukas lebt in Innsbruck, als Kind freut er sich auf die Fußball-WM 1990 in Italien. Italien – das ist Türkischer Honig, Spielautomaten, Kastanien, Urlaub am Meer, Kopfrechnen zwischen Schilling und Lire. Italien muss aber noch etwas anderes sein, etwas Vergangenes, Bedrohliches. Was hat es mit den Narben des alten Lahner auf sich? Warum haben manche Südtiroler in Innsbruck eine „Neue Heimat“ gebraucht? Warum haben die Orte in Südtirol italienische und deutsche Namen?
Josef Lahner weiß das alles, hat aber schon so lange darüber geschwiegen, dass Erinnertes, Erlebtes, Echtes und Erfundenes langsam verschwimmen. Giuseppe Monte weiß vor allem, dass er sich in vielem geirrt hat. Er weiß, dass er damals als Carabiniere nicht so eindeutig auf der Seite des Rechts gestanden ist. Und er ahnt allmählich, dass beschwiegene Dinge nicht einfach ruhen.
Ein Roman über eine Kindheit zwischen unschuldiger Begeisterung und der langsamen Erkenntnis, dass es eine Welt der Politik, Gewalt und Willkür jenseits der Geborgenheit gibt.
Bernd Schuchter
Föhntage. Roman
184 Seiten. Braumüller Verlag 2014
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN 978-3-99200-120-0
Eine rätselhafte Erbschaft führt Ariel Link nach Hohenems, in die Heimatstadt seines Vaters. Eine ihm unbekannte Frau hat ihm zusammen mit Lerke, ihrer Tochter, einen Sekretär vererbt. Aus dieser zunächst zufällig erscheinenden Begegnung entwickelt sich eine fragile Liebesgeschichte mit ungewissem Ausgang.
Damit abwechselnd wird aber auch die Geschichte der Vorarlbergischen Stadt Hohenems mit ihrer jahrhundertealten jüdischen Tradition erzählt: Wie etwa jene des Schweizer Polizeihauptmanns Paul Grüninger, der unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg mehreren hundert – vor allem jüdischen – Flüchtlingen das Leben rettete. Aus diesen beiden Erzählsträngen entspinnt sich die bewegte und bewegende Geschichte um ein Möbelstück und die menschlichen Schicksale, die es mitbestimmt.
Bernd Schuchter
Link und Lerke. Roman
160 Seiten. Edition Laurin 2013
Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-902866-07-3
Sonstiges
Franz Hessel mit Spazieren in Berlin steht ebenso Pate wie Walter Benjamin mit Stadt des Flaneurs, wenn Bernd Schuchter über sein Aufwachsen in Innsbruck nachdenkt. Wie kaum eine andere Stadt ist Innsbruck ein Refugium des Spaziergängers, dem Flanieren zur Kunst wird. So sehr sich Innsbruck in den letzten Jahrzehnten auch verändert hat, die Altstadt mit ihren Gassen, Läden und versteckten Orten hat sich wenig verändert – vor allem nehmen alle Innsbrucker an ihr Anteil, kommen sie auch ursprünglich aus Hötting, Wilten, dem Saggen oder Pradl. Das Herz der Stadt gehört all jenen, die es flanierend erkunden.
Bernd Schuchter unternimmt in Aufwachsen in Innsbruck auch einen Gang in die Vergangenheit, in ein altes Innsbruck mit seinen verschwundenen Geschäften und Plätzen, erinnert an berühmte Jugendhäuser oder Sozialprojekte, erzählt von Hausbesetzungen und dem naiven Zugang zur Welt in vordigitalen Zeiten – und besucht Orte, die sich erhalten haben und ihren Teil zum Gedächtnis der Stadt beitragen.
Bernd Schuchter
Aufwachsen in Innsbruck
128 Seiten. Verlag der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung 2018
Kartoniert
ISBN 201-8-1010-0012-4
Von Landeck bis Lienz, Zillertal bis Kufstein: Bernd Schuchter, waschechter Tiroler, begibt sich jenseits der gängigen Werbeslogans auf die Suche nach dem Mythos seiner Heimat. Vorbei an Almwiesen und steilen Hängen zieht es ihn in die Universitätsstadt Innsbruck – seit dem Mittelalter wichtiger Knotenpunkt zwischen Nord und Süd. Er ergründet seine Landsleute, diese seltsamen Wesen, die so gerne schweigen und dabei stolz sind auf ihre Berge und tausend Kirchen, auf Krimiautoren wie Bernhard Aichner und Erfolgsunternehmen wie Swarovski.
Und er geht selbstironisch den brisantesten Fragen nach: Kennen sich hier alle fünfhunderttausend Einwohner wirklich persönlich? Beginnen amouröse Abenteuer immer noch mit einer Leiter, die am Fenster der Angebeteten angelegt wird? Und was bewegt Jahr für Jahr Millionen von Menschen dazu, hier ihren Urlaub zu verbringen?
Bernd Schuchter
Gebrauchsanweisung für Tirol
224 Seiten. Piper Verlag 2017
Klappenbroschur
ISBN 978-3-492-27696-2
In Innsbruck abseits der Pfade entdecken wir die Stadt in den Alpen als Verkehrsknotenpunkt seit dem Mittelalter, als Ort der kurzen Wege, als Eldorado für Radfahrer, als Schauplatz von Kunstskandalen, Kleinherzigkeit und Heldentaten; wir lernen Einwohner kennen, die so gar nichts mit dem Klischee der skifahrenden, in den Bergen wandernden, gesunden, kernigen Tiroler zu tun haben, als die sie bereits Heinrich Heine in seinen Reisebildern beschrieben hat.
Innsbruck abseits der Pfade unternimmt quer durch die Geschichte Streifzüge in und um Innsbruck: vom Scheibenbichl und dem Mühlauer Friedhof, wo Geistesgrößen wie Georg Trakl und Ludwig von Ficker ruhen, über den Judenbühel und den ehemaligen Jüdischen Friedhof bis zum Wasserkraftwerk, durch den Villen-Saggen und die Nebengassen der Innsbrucker Altstadt und natürlich durch die Sillschlucht hin zum Bergisel, Schauplatz mehrerer Schlachten 1809.
Bernd Schuchter
Innsbruck abseits der Pfade
192 Seiten. Braumüller Verlag 2015
Klappenbroschur
ISBN 978-3-99100-142-3